Existenzgründung – Was sind Hürden und Stolpersteine?

Ein Video-Interview zwischen der Moderatorin Doro Plutte und dem Geschäftsführenden Gesellschafter der MCP Management Consulting GmbH Ulrich Bendel, erschienen auf der Web Site der Steuerberatungsgesellschaft.

Doro Plutte: Immer weniger trauen sich den Weg in die Selbstständigkeit zu gehen. Warum?

Ulrich Bendel: Seit 2010 gehen die Existenzgründungen kontinuierlich zurück. 2010 waren es gemäß Institut für Mittelstandsforschung in Bonn noch 418.000. In 2016 sind es nur noch 378.000. Laut Handelsblatt vom November 2016 ist Deutschland mit 7 % der Erwachsenen die eine Unternehmen gründen wollen das Schlusslicht. Irland (15%) Frankreich (14%) und USA (12%) liegen davor. Wir Deutschen gelten in Bezug auf die Selbstständigkeit eher als ängstlich. Aus meiner Sicht ist diese Angst durchaus begründet. Das wirtschaftliche Umfeld für Gründungen ist in Deutschland nicht optimal. Es gibt viel zu wenig Risikokapital vor allem für kleine und mittlere Unternehmen. Wenn ein Gründer in Deutschland scheitert bekommt er kaum eine zweite Chance und es bedeutet sehr oft der wirtschaftliche und persönliche Ruin. Doch Deutschland braucht Existenzgründer um die weltweit viel gelobte mittelständische Struktur zu erhalten. Alle Statistiken beweisen nachhaltig, dass unser Mittelstand unserer Volkswirtschaft die Stabilität bietet, uns vor großen globalen Wirtschaftskrisen zu schützen.

Doro Plutte: Welche persönlichen Voraussetzungen muss der Gründer mitbringen?

Ulrich Bendel: Entscheidend ist für mich, dass der Gründer ein Unternehmertyp ist. An welchen Kriterien kann man das festmachen: Antriebsstärke, Unabhängigkeit, Risikobereitschaft, Kreativität, Kontaktfreudigkeit und Leistungsfähigkeit. Grundsätzlich muss der Gründer eine klare Vorstellung von seiner Geschäftsidee haben und darf im Grunde keine Angst haben zu scheitern. Vor allem muss er körperlich und mental in der Lage sein hart zu arbeiten. Rückschläge müssen ihn anspornen weiterzumachen.

….und er braucht gute Berater und Mentoren! Viele scheitern weil Sie „einsame“ Entscheidungen treffen. Informationsdefizite sind die zweithäufigste Ursache für das frühzeitige Aus junger Unternehmen. Weiterhin ist aus meiner Sicht wichtig, dass die Familie den Weg in die Selbstständigkeit mitträgt und der Gründer hier Unterstützung erfährt.

Doro Plutte: Wie sieht der Weg von der Geschäftsidee in die Selbstständigkeit aus?

Ulrich Bendel: Im Grunde kann man vier Gründungsphasen unterscheiden.

Die erste Phase ist die Entscheidungsfindung, ob der Weg in die Selbstständigkeit gegangen werden soll. Das hängt von den persönlichen Voraussetzungen und den benötigten Qualifikationen ab. In dieser Phase ist zu klären wo Informationsdefizite bestehen und wo Beratungsbedarf notwendig ist.

Die zweite Phase ist die Planungsphase. Die Geschäftsidee ist zu klären. Besteht Bedarf am Markt? Wer sind meine zukünftigen Kunden? Welchen Nutzen bringe ich diesen? Wie ist die Konkurrenzsituation? In dieser Phase ist auch zu überlegen ob ich ein ganz neues Unternehmen gründe oder ob ich ein Unternehmen übernehmen kann. Es gibt verschiedenen Börsen von Unternehmen die einen Nachfolger suchen (u.a. Unternehmensbörse Hessen). Hier kann sich der Gründer einen Überblick verschaffen.

Die dritte Phase ist die Finanzierungsphase. Aus dem Businessplan weiß man welche Finanzmittel konkret benötigt werden und wo sich der Gründer die Gelder besorgen kann.

In der vierten und letzten Phase geht es um die Unternehmenseröffnung. Hier sind alle Formalitäten zu klären, Personal zu beschaffen, Marketingmaßnahmen einzuleiten und steuerliche Fragen zu klären.

Doro Plutte: Was ist bei der Erstellung eines Businessplans zu beachten?

Ulrich Bendel: Warum ein Businessplan? Die Geschäftsidee reicht nicht aus. Jeder Gründer braucht einen ausgefeilten Plan, wie die Idee in die Tat umgesetzt werden soll. Der Businessplan muss alle Faktoren berücksichtigen, die für den Erfolg oder Misserfolg entscheidend sind. Er ist quasi die Regieanweisung, die die einzelnen Schritte des Gründungsvorhabens genau festlegt. Herzstück des Planes ist aus meiner Sicht die genaue Ermittlung des Kapitalbedarfs und dessen Finanzierung. Dabei wird meist zu knapp gerechnet. Vor allem wird nicht genau hingeschaut wie lange es dauert bis das erste Geld auf dem Konto ist. Weiterhin wird oft nicht bedacht, dass private Verpflichtungen weiter laufen und auch bedient werden müssen. Aber woher nehmen, wenn die neu gegründete Firma keinen Ertrag abwirft. Damit diese Fehler nicht passieren, unterstützen wir Existenzgründer gerne bei der Erstellung des Businessplans. Übrigens werden auch die Honorarkosten bezuschusst.

Doro Plutte: Wie komme ich an die notwendigen Finanzierungsmittel heran?

Ulrich Bendel: Basis ist der Businessplan. Hier schauen Banken vor allem auf die Ertrags- und Liquiditätsplanung und den Finanzierungsplan. Aber das Wichtigste ist das Eigenkapital. Ohne Eigenkapital bekommt heute keiner mehr Kredite. Mindestens 20 – 25% des Kapitalbedarfs sollten aus Eigenmittel kommen. Es gibt für Existenzgründungen jede Menge zinsgünstige Darlehen bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Wer sich orientieren möchte, kann sich auf der Internetseite vorab informieren. Wichtig: Alle Kredite müssen über die Bank vor Ort beantragt werden (Hausbankprinzip).

Doro Plutte: Die Unternehmenseröffnung, aber Achtung welche Formalitäten sind zu beachten?

Ulrich Bendel: Bevor dann das Unternehmen eröffnet werden kann, sind noch einige Formalitäten zu klären, z.B. welche Rechtsform passt zum Gründer und zum Geschäftszweck? Einzelunternehmen, Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft (z.B. die verbreitete GmbH)? Welche Auswirkung hat die Rechtsform auf die persönliche Haftung, die Steuerbelastung und auf die Branche? Welcher Aufwand entsteht dabei bei der Gründung bzw. bei der Buchführung? Jedes Unternehmen hat einen Namen. Aber nicht irgendeinen. Entscheidend ist die Rechtsform und ob der Name hilft, sich im Markt und in der Branche zu entwickeln. Dann gibt es jede Menge Anmeldeformalitäten: z.B. Gewerbeanmeldung, Handelsregister, Finanzamt, Berufsgenossenschaft, usw. Wichtig ist auch zu klären ob weitere besondere Genehmigungen notwendig sind z.B. die Meisterpflicht im Handwerk.

Doro Plutte: Warum scheitern die meisten Unternehmen in den ersten 5 Jahren?

Ulrich Bendel: Von Anfang an falsch finanziert, lückenhafte Branchenkenntnisse, mangelndes Detailwissen, Defizite in der Vermarktung und im Marketing, Fehler in der Preiskalkulation, fehlender Kundennutzen, unklare Zielgruppe (=Wer sind meine Kunden?) oder kaufmännische Mängel. Jeder Unternehmer muss eine BWA und eine Bilanz lesen können.

Das bestätigt auch das Institut für Mittelstandsförderung in Bonn.

Wenn wir Beratungsfälle im Sanierungsbereich auf den Tisch bekommen, ist zu 90% die Buchführung chaotisch. Deshalb muss hier von Anfang an ein Augenmerk darauf gerichtet werden.


Volker Mühl