Fachkräftemangel – Gastbeitrag von Claudia Schurig

In den Gesprächen mit unseren Mandaten hören wir es jeden Tag; auch in den Medien ist das Thema immer wieder präsent: Der Fachkräftemangel in der deutschen Wirtschaft. Das Handelsblatt hatte sich ausführlich in einer größeren Studie damit befasst (Wochenendausgabe 26./27./28. Mai 2017).

Diese Studie war aufgebaut wie so viele ihrer Art: eine bunte Mischung aus Fakten, Einzelbeispielen, verpackt in kleine Geschichten, Hintergrundwissen, Expertenmeinungen, Versuchen, die Misere zu begründen und Lösungsvorschlägen.

Und es ging immer wieder um die gezielt provokante Frage: Gibt es wirklich einen Fachkräftemangel? Oder sind Unternehmen nur nicht willens, höhere Gehälter zu zahlen, wodurch der Mangel ausgeglichen würde?

Beim Lesen habe ich mich immer gefragt: Was würde unser Mandant, der händeringend einen Azubi oder einen Gesellen sucht, dazu sagen? Beantwortet der Beitrag die Frage, warum es beispielsweise so schwer ist, einen Bäcker- oder Dachdecker-Azubi oder einen Metallarbeiter- oder Heizungsbau-Gesellen zu bekommen?

Wir haben Ihnen die wichtigsten Thesen zusammengestellt. Urteilen Sie selbst, ob eine Antwort für Ihr mögliches Personalproblem dabei ist.

Fakten, Zahlen, Tatsachen

  • Nicht mehr der Arbeitssuchende bewirbt sich beim Unternehmen – das Unternehmen bewirbt sich bei den Arbeitssuchenden.
  • Arbeitnehmer, die eine halbwegs gefragte Qualifikation mitbringen, haben beste Aussichten.
  • In vielen Branchen gibt es keine rasanten Gehaltssprünge – dazu stehen die meisten Unternehmen in einem zu harten Kostenwettbewerb. Aber bei allen Fragen, die nichts mit Geld zu tun haben, zeigen sich viele Arbeitgeber besonders flexibel.
  • Hauptgründe für die Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung: der generelle Mangel an Bewerbern (75%), unzureichende berufliche Qualifikation der Bewerber (18%), fehlende Bereitschaft der Bewerber, die erwarteten Anforderungen zu erfüllen(12%), Stellenbesetzung scheitert an der zu hohen Lohnforderung des Bewerbers (12%).

Was sind die Gründe für den Facharbeitermangel?

Eine mögliche Antwort auf diese Frage ist eine provokante These: Es gibt gar keinen Mangel. Wenn es so wäre, hätte der Markt das längst behoben. Arbeitgeber müssen den Gehaltsforderungen der Bewerber entgegen kommen statt auf die Stellenbesetzung zu verzichten. Wer Stellen unbesetzt lässt, anstatt den Bewerbern das geforderte Salär zu zahlen, der braucht die Arbeitskraft offensichtlich nicht so dringend.

Die These ist eine kurzfristige Sicht der Dinge, denn nur Geld löst den Konflikt nicht. Geld sorgt zunächst nur dafür, dass die Branche sich die Fachkräfte gegenseitig vor der Nase wegschnappt. Die Lohnentwicklung ist kein genereller volkswirtschaftlicher Index für Knappheit in der Branche, da muss man nur an die schlecht bezahlten Mitarbeiter in der Pflegebranche oder im Einzelhandel denken.

Auf der einen Seite Fachkräftemangel – auf der anderen Seite die hartnäckig hohe Zahl der Langzeitarbeitslosen (rund eine Million). Doch rund die Hälfte hat keine abgeschlossene Berufsausbildung, viele werden von gesundheitlichen oder sozialen Problemen und Schulden geplagt. Allein von diesen Menschen die Lösung des deutschen Fachkräfteproblems zu erhoffen, ist unrealistisch.

Deutschland hat ein Qualifikationsproblem.

Deutschland scheint eine „Kultur der Zertifikate“ zu pflegen. Unternehmen tun sich schwer, einen pfiffigen Bewerber auch ohne die richtige formale Qualifikation einzustellen.

Die Lösung des Problems?

Es gibt keine Patentlösung. Das sind die Vorschläge:

Politikmix verbessern: besseres Weiterqualifizierungsangebot, bessere Möglichkeiten etwas zu Hartz IV hinzuzuverdienen, ein Einwanderungsgesetz, das gezielt qualifiziertere Zuwanderer nach Deutschland holt.

Unterbeschäftigung abbauen: Frauen sind das größte ungehobene Potenzial des deutschen Arbeitsmarkts, das es zu heben gilt, und zwar durch Verbesserungen in der Steuer-, Bildungs- und Familienpolitik und in der Bildungsinfrastruktur. Herdprämien für Mütter, steuerliche Subventionierung von geringfügiger Beschäftigung, Ehegattensplitting – das alles wirkt eher kontraproduktiv. Fast jede zweite erwerbstätige Frau hat einen Teilzeitjob. Auch nach einer längeren Jobpause muss es möglich sein, den Wiedereinstieg zu schaffen.

Ausbildungsanstrengungen verstärken: Die duale Ausbildung stärken, um den Run auf die Hochschulen zu stoppen. Inzwischen entscheidet sich jeder zweite Jugendliche eines Jahrgangs für ein Studium.

Über Jahrzehnte – so sagt man – sei Deutschland mit seinem Arbeitskräftepotenzial so ähnlich umgegangen wie die Saudis mit ihrem Öl: Man hat es verschwendet, weil genug davon da war. Doch die Reserven werden knapp. Deutschland muss jetzt lernen, mit seinen Arbeitskräften zu haushalten.

Claudia Schurig

Prokuristin bei

MCP Mühl Christ Partner Management

Consulting GmbH

www.mcpmc.de


Volker Mühl