„Homo deus“ – Der Algorithmus, dein Feind und Helfer

Wie geht es Ihnen?

Empfinden Sie manchmal auch Unternehmen wie Google als eine moderne Form des Geheimdienstes, wie KGB oder CIA beziehungsweise der (alten) katholischen Kirche, die die Bürger diszipliniert?

Im mittelalterlichen Europa hatten Priester und Eltern die Macht, den Ehepartner auszuwählen. In einer dataistischen Gesellschaft frage ich Google, wenn es darum geht meinen Lebenspartner auszuwählen.

Was man unter Dataismus versteht

Im Prinzip kann man darunter verstehen, dass künftig Algorithmen über unser Leben und über das, was auf dieser Welt läuft, entscheiden. Die schiere Quantität an Daten schlägt um in eine neue Qualität der Weltbeschreibung in Echtzeit. So stehen wir vor dem epochalen Schritt, die letzten Welträtsel des Sozialen, die Geheimnisse des menschlichen Verhaltens und der Alltagsintelligenz mittels blanker Rechenpower und smarter Algorithmen zu knacken.

Wir müssen uns also ernsthaft mit der Frage und der vorhersehbaren Entwicklung beschäftigen:

Entscheiden künftig nur noch Algorithmen über unser Leben und über das, was auf dieser Welt läuft?

Geht es uneingeschränkt nach den Menschen, die mit Hochdruck an Big Data arbeiten und daraus neue Produkte kreieren, dann stehen wir schon mitten drin: Personalisierte Werbung ist an der Tagesordnung. Auf der Suche nach der Liebe verlassen sich viele auf Partnerportale. Und bei medizinischen Entscheidungen stellen immer mehr Menschen auf das Ergebnis der Datenanalyse ab, wie Angelina Jolie es 2013 bereits vormachte.

Aber das ist bekanntlich erst der Anfang. Vielerlei ehrgeizige Pläne und Projekte sind Ihnen da sicherlich bekannt.

Ich frage mich schon, ob es in der heutigen Digitalmoderne oder dem Dataismus so etwas wie eine Übereinkunft zwischen Mensch und Maschine gibt oder ob wir nicht schon einen Unterwerfungsvertrag unterzeichnet haben, mit dem wir jegliche Mitbestimmungsrechte abgetreten haben. Wir haben nur die Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht genau gelesen, aber bestätigt. Denn die digitale Welt ist nicht aufzuhalten. Wir werden überrollt von der Entwicklung. Alternativlos sozusagen.

Kennen Sie das Gefühl? Sie wollen einen Vertrag im Internet oder auch sonst wo schriftlich abschließen und müssen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestätigen. Sie scrollen schnell durch und bestätigen die ganze Chose, ohne letztlich genau zu wissen, was in den 57 Seiten, die Sie gerade bestätigen, eigentlich drin steht.

Wir haben diesen Vertrag mit dem Silicon Valley bzw. dessen Giganten-Unternehmen faktisch abgeschlossen und lassen den Entwicklern und Programmierern freien Lauf, dass sie Algorithmen schaffen, die uns besser kennen als wir selbst und uns nach und nach alle Entscheidungen abnehmen. Viele stehen sogar Schlange dafür, wenn es etwas Neues gibt.

Der 41-jährige Israeli Yuval Hararis blickt in seinem neuen Buch „Homo Deus“ in die Zukunft:

Was wird aus dem Menschen, der zu Beginn des 21. Jahrhunderts kein Mensch mehr sein will?

„Homo deus“ heißt übersetzt aus dem Lateinischen etwa „gottähnlicher Mensch“.

Der Dataismus entmündige die Bürger und katapultiert die Menschen zurück in einen geistigen Feudalismus, in der man sich statt von Pfaffen, von Maschinen bevormunden lässt. Zwar glaube, schreibt Harari, der Nutzer im Moment einer Suchanfrage Herr über die Suchmaschine zu sein und einen Befehl zu erteilen, doch vollstrecke er dabei nur die Sachlogik des Page Rank-Algorithmus, den die Entwickler im Silicon Valley programmiert haben – und werde dabei zu einem Informationsbündel, weil er nur noch eine Art Second-Hand-Wissen erwirbt.

Am Ende könnte ein Punkt erreicht sein, an dem es unmöglich werde, sich vom Netzwerk abzukoppeln und ein neues Prekariat, die „Klasse der Nutzlosen“, entstehe, das von der Technik abgehängt ist, schreibt der Historiker.

Nachdem der moderne Mensch seinen Glauben an Gott durch den Glauben an sich selbst ersetzt hat, ist er drauf und dran, die Schranken zum Übermenschlichen zu durchbrechen und sich gottähnlich zu machen. Die Menschen werden nicht nur immer älter, im Silicon Valley tüftelt man bereits am Rezept für die Unsterblichkeit und arbeitet an der Verschmelzung von Mensch und Maschine zu superintelligenten Cyborgs.

Doch machen uns diese Upgrades auch glücklicher? Oder führt die Kluft zwischen dem gottähnlichen „Homo Deus“ und dem herkömmlichen „Homo sapiens“ zu tiefen Verwerfungen und neuen Formen von Glaubenskriegen?

Und haben wir Menschen (noch) die Wahl? Die Journalistin und Philosophin Barbara Bleisch fühlt in den „Sternstunden der Philosophie“ Yuval Harari auf den Zahn.

Ein sehr interessanter Dialog, den ich mir am Karfreitag angesehen habe.

Hier eine Kritik zu dem Buch „Homo Deus“.

Mir kommen in diesem Zusammenhang Aussagen von Viktor Frankl einerseits und Friedrich Nietzsche anderseits in den Sinn:

„Zwischen Reiz und Reaktion gibt es einen Raum.

In diesem Raum haben wir die Freiheit und die Macht, unsere Reaktion zu wählen.

In unserer Reaktion liegen unser Wachstum und unsere Freiheit.“

Viktor Frankl

Viktor Emil Frankl entstammte einer jüdischen Beamtenfamilie und gilt als Begründer der Logotherapie. Als Juden wurden er, seine Frau und seine Eltern am 25. September 1942 ins KZ Theresienstadt deportiert. Sein Vater starb dort 1943, seine Mutter wurde in der Gaskammer von Auschwitz ermordet, ebenso sein Bruder Walter. Seine Frau starb im KZ Bergen-Belsen. Frankl wurde am 19. Oktober 1944 von Theresienstadt nach Auschwitz gebracht und am 5. März 1945 in das KZ Dachau verlegt. Am 27. April 1945 wurde er von der US-Armee befreit.

„Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie.“
Friedrich Nietzsche, deutscher Philosoph

Der freie Wille ist neben der Selbstwahrnehmung, der Vorstellungskraft und unserem Gewissen eines unserer unvergleichlichen Geburtsgeschenke, die wir von der Schöpfung erhalten haben.

Der freie Willen und dass wir uns unserer Lebensaufgabe bewusst sein können, macht uns zum Menschen. Auch der Tod als begrenzendes Ereignis macht unser Leben zu etwas Einzigartigem.

Wenn in der Zukunft, vielleicht in 100 oder 200 Jahren, aber nur noch Algorithmen über uns entscheiden, wir zu hybriden Cyberwesen mutiert sind und das „Leben“ (Ist das denn dann überhaupt noch ein Leben?) mehrere hundert Jahren dauern kann, ist der Mensch kein Mensch mehr. Dann haben wir keine Freiheit mehr. Welches Warum zum Leben kann es dann noch geben?

Das soll nicht bedeuten, dass wir uns gegen den Fortschritt stellen sollen, aber so wie die Wirtschaft für den Menschen da ist, gilt das genauso für die Technik, die auch für den Menschen da ist und nicht umgekehrt. Es besteht eine sehr große Gefahr, dass der Menschheit in Ihrer Gesamtheit, die Dinge aus der Hand gleiten.

Es gilt daher umso mehr, dass wir aus unseren Kindern kritische und gebildete Menschen machen, die nicht von Anbeginn ihres Lebens zu digitalen Idioten verkümmern, deren eigentliches Gehirn ausgelagert ist in ein Smartphone oder was sonst in der Zukunft an dessen Stelle tritt. Wir brauchen charakterstarke Menschen, die einen starken inneren Kern haben, der sie in die Lage versetzt auf gesunden Prinzipien und Werten die Zukunft zu gestalten und nicht seelenlose Wesen, die auf Geheiß von Algorithmen alles kritiklos konsumieren was ihnen vorgesetzt wird.

In diesem Zusammenhang ist jeder von uns tagtäglich gefordert. Wir alle haben die Verantwortung für unser Umfeld.

„Pro-aktive Menschen konzentrieren ihre Bemühungen auf ihren Einflussbereich.

Sie arbeiten an jenen Dingen, bei denen sie etwas bewirken können.“

Stephen R. Covey

In diesem Sinne

Ihr Volker Mühl


Volker Mühl