Jugendliche sollen eigenen Weg finden

Interview aus der Nassauischen Neuen Presse vom 26.09.2013 mit Volker Mühl, Mitbegründer der Zukunftswerkstatt Oberlahn: Vision von einem positiven Leben

Jugendliche sollten das eigene Leben planen und erkennen, wie interessant es sein kann, die eigenen Fähigkeiten und Neigungen zu testen und seinen eigenen Weg zu gehen. Dieses Ziel verfolgt Volker Mühl aus Mengerskirchen-Dillhausen mit der von ihm geschaffenen „Zukunftswerkstatt Oberlahn“. Im Gespräch mit Tom Schumacher zog Volker Mühl eine erste Bilanz seiner Initiative und gab zugleich einen Ausblick auf Projekte der Zukunft. Lesen Sie hier das Interview mit Volker Mühl im Wortlaut:

Herr Mühl, was war der Anreiz für Sie, die Zukunftswerkstatt ins Leben zu rufen?

Volker Mühl: Ich habe beobachtet, dass sehr viele Jugendliche Unterstützung dabei brauchen, zum einen ihre persönlichen und beruflichen Ziele zunächst anhand ihrer eigenen Stärken, Neigungen und Talente zu identifizieren und zum anderen dann zu entscheiden, welchen Weg sie einschlagen. Oft wird sozusagen der Weg eingeschlagen, den die Eltern vorgeben, den ein Freund oder eine Freundin geht, der sich überhaupt nicht mit den eigenen Stärken und Talenten deckt, der nicht durchdacht ist oder aber nicht „der eigenen Weg“ ist. Um die eigene Zukunft erfolgreich im Sinne seiner individuellen Ziele zu gestalten, bedarf es der eigenen inneren Stärke und des Muts, die identifizierten Ziele und den damit verbundenen Weg konsequent zu gehen.

Welche Workshops bieten Sie an, und welchem Konzept folgen Sie?

Mühl: Der erste Workshop „Mach dich stark!“ baut aus der „Key4you“-Persönlichkeitsanalyse auf und hilft den Jugendlichen, Begabungen und Fähigkeiten Gedanken zu machen. Anhand des Persönlichkeitsfeldes erkennen die Jugendlichen ihre Stärken und Schwächen und das, was diese über ihre schulischen und beruflichen Neigungen und Interessen aussagen. Die Jugendlichen erhalten eine grobe Orientierung und werden sich bewusst, wie wichtig die richte Schul-, Studien- und Berufswahl für ihren weiteren Weg ist.

Effektiv und effizient

Die Jugendlichen werden motiviert, sich Ziele zu setzen und diese strukturiert anzugehen, Abgerundet wird der Workshop mit einer Traumreise. Der Workshop ist für Jugendliche ab 14 Jahren geeignet, die sich um die weitere Schullaufbahn und Berufsausbildung ihre ersten Gedanken machen. Der zweite Workshop im Repertoire der Zukunftswerkstatt Oberlahn heißt „Finde deinen Weg!“. Für welchen Beruf bin ich geeignet? Was soll ich werden? Nach dem Konzept von „Jugend braucht Zukunft“ lernen die Jugendlichen, sich mit Hilfe einer Selbstanalyse besser einzuschätzen. Sie erhalten eine Orientierung über ihre Neigungen und Talente. Aufbauend auf der neu gewonnenen Selbsteinschätzung, wird im Einzelcouching herausgearbeitet, welche Berufsfelder sich für die Jugendlichen eignen. Der Workshop ist für Jugendliche ab 16 Jahren geeignet, die sich schon ganz konkret mit ihrer Berufswahl beschäftigen. Wir sind zurzeit dabei, ein drittes Programm „Die Wege zur Effektivität für Jugendliche“ zu etablieren. Effizienz bedeutet: Die Dinge richtig tun, Effektivität bedeutet: Die richten Dinge tun. Das Programm „Die sieben Wege zur Effektivität für Jugendliche“ beinhaltet „Pro-aktiv sein“. Die Verantwortung für das eigene Leben übernehmen, den eigenen Einflussbereich vergrößern und Entscheidungen treffen und hinter ihnen stehen. Schon am Anfang das Ende im Sinn haben, träumen und visionär denken, Ziele definieren sowie sein persönliches Leitbild entwickeln.

Was sind die wichtigsten Kriterien bei der Berufswahl und der Gestaltung der eigenen Karriere?

Mühl: Das wichtigste Kriterium ist „Neigung geht vor Eignung“ und sich dessen bewusst zu sein. Jeder sollte einmal über folgendes nachdenken: Ist das, was du tust, „das Richtige“ für dich? Falls ja, dann konzentriere dich aus die wirklich wichtigen Dinge und tue diese mit größtmöglicher Effizienz! Falls nicht, dann versuche herauszufinden, was wirklich „ das Richtige“ für dich ist, denn nur dann kannst du „wirklich“ effektiv sein. Wenn du nicht „das Richtige“ tust und tust das schon mit sehr großer Effizienz, was könntest du erste erreichen, was du „das Richtige“ tust und das mit größtmöglicher Effizienz!? Wenn ich nicht das „Richtige“ tun, besteht die große Gefahr, dass ich in dem eingeschlagenen Weg oder gewählten „Beruf“, der dann ja weniger „Beruf im Sinne von Berufung“ ist, als eine Tätigkeit, die ich ausübe, unzufrieden und auf lange Sicht sogar krank werden kann.

Freien Raum zugemüllt

Was unterscheidet die Zukunftswerkstatt von ähnlichen Institutionen oder Vereinen? Welche Erfahrungen konnten Sie bisher machen?

Mühl: Wir wollen nicht nur einen individuellen Beitrag für den Einzelnen leisten, sondern auch gesellschaftspolitisch etwas Positiveres bewirken. Es geht darum, dass grundsätzlich jeder verantwortungsvolle Beiträge zur Weiterentwicklung unserer Gesellschaft zu erbringen und dass wir die „Kräfte der Willigen“ im Rahmen einer neuen Zukunftsplattform bündeln wollen. Elternhaus, Schule und Kirche sind oftmals damit überfordert, den Jugendlichen von heute „Leitplanken für die Ausrichtung ihres Lebens“ zu geben, die von Jugendlichen auch angenommen und akzeptiert werden. Das Werte vermittelnde Elternhaus, die daran anknüpfende Schule und erst recht die Kirche sind viele Jugendlichen „abhandengekommen“, so dass ein freier Raum entstanden ist, der vielfach mit den Weiten des Internets und Fernsehens zugemüllt wird. Viele Jugendliche lechzen sozusagen nach sinnvoller Orientierung; es fehlen dafür im Umfeld aber die Partner und Vorbilder, die die Jugendlichen erst nehmen. Wenn wir es schaffen, die Jugendlichen dort abzuholen, wo sie stehen und ihnen strukturiertes Vorgehen vermitteln, können wir als Gesellschaft die Potenziale erschließen, die die Jugendlichen als Persönlichkeit und die Gesellschaft als Ganzes für die Bewältigung der Zukunft benötigen.

Was ist ihre Vision von der Zukunft?

Mühl: Meine Vision von der Zukunft ist, dass wir es schaffen, unsere Demokratie mit den positiven Aspekten des Kapitalismus so zu kombinieren, dass alle Menschen ein positives Leben führen können. Dazu muss sich jeder dessen auch bewusst sein, dass jeder Einzelne auch die Verantwortung hat, ein eigenverantwortliches Leben zu führen. Ich denke da wie folgt: Der Mensch ist dazu bestimmt und in der Lage, ein selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben zu führen, um unter Einsatz seiner individuelles Werte, Begabungen und Fähigkeiten positive Beiträge für sich selbst, seine Familie und sein gesamtes Umfeld zu schaffen. Meine Vision von der Zukunft ist, dass wir es als Gesellschaft schaffen, auch die Menschen aus benachteiligten Verhältnissen so in die Gesellschaft und das Leben in Fairness, Integrität, Ehrlichkeit und Menschenwürde führen kann. Dazu bedarf es allerdings einiger Paradigmenwechsel in unserer Gesellschaft. Viele Menschen befürchten, etwas zu verlieren, sobald jemand anderes etwas bekommt, weil sie überzeugt sind, dass alles knapp ist. Sie befinden sich deshalb in einem ständigen Konkurrenzkampf. Es bedarf daher Lösungen, die allen Beteiligten Vorteile bringen und die auch möglich sind, wenn die Definition von Vorteil und Erfolgs nicht immer nur über die materielle Eben gesucht wird und im Übrigen auch wieder langfristiger gedacht wird.

Schlüssel zur Persönlichkeit

Tom Schumacher, 14-jähriger Schüler aus Dorndorf, hat an einem Workshop der „Zukunftswerkstatt Oberlahn“ teilgenommen, um seine berufliche Fähigkeiten genauer kennenzulernen. Hier sein Erfahrungsbericht: „Der Nachmittag beginnt, indem sich alle Teilnehmer vorstellen und ihre persönlichen Charaktereigenschaften sowie Berufswünsche angeben. Im weiteren Verlauf werden verschiedene Möglichkeiten der Berufswahl besprochen und die eigenen Talente mit Hilfe eines symbolischen Baums dargestellt. Nach dieser Einordnung der eigenen Person beginnt nun der Hauptteil des Workshops: Der „key4you-Schlüssel“ wird erarbeitet. Dazu werden auf 2 Arbeitsblättern sämtliche Charaktereigenschaften eingetragen, die nach Umrechnung in Charakterpunkte ein Koordinatensystem ergeben. In diesem kann man nun den eigenen Persönlichkeitsschlüssel ablesen und herausfinden, ob man eher Vermittler, Realisieren, Entdecker oder Analytiker ist. So lassen sich auch weitere Berufsmöglichkeiten genauer definieren, und der Teilnehmer fühlt sich in seiner eigenen Überzeugung gestärkt. Der Workshop wird mit einer „Traumreise“ abgeschlossen, mit deren Hilfe der Teilnehmer sich selbst in der Zukunft beobachten und erkennen kannst. Selbstbewusst und motiviert blicke ich auf einen interessanten Nachmittag zurück.“

Quelle: Nassauische Neue Presse, S. 19, 26.09.2013


Volker Mühl